Dokument Press – Graffitibücher aus Schweden

Seit 1992 kam eines der coolsten Graffiti-Magazine aus der Schwedischen Hauptstadt Stockholm: das Underground Productions Magazine. 1999 veröffentlichten sie ihr erstes Buch „They Call Us Vandals“. Da sie keinen Verlag fanden, der es herausgeben wollte, gründeten sie ihren eigenen Verlag „Dokument Press“. Seitdem haben sie über 100 Bücher herausgegeben und weltweit vertrieben, darunter legendäre, schon lange vergriffene Bücher wie „Overground 1-3“ (2003- 2008), „Writers United“ (2005) oder „Cause We Got Style“ von Rosy One (2011).

Im Interview erzählt uns einer der Gründer von Dokument Press, Tobias Barenthin Lindblad, von der Geschichte des Verlags und seiner Sicht auf die Entwicklung von Graffiti.


Im Jahr 1992 habt ihr mit dem Graffiti Magazine „UP – Underground Productions“ angefangen. Es gab damals ja schon ein Graffiti Magazin in Schweden, das „Kilroy“ Magazin. Was war eure Motivation ein weiteres Graffiti Magazin in Schweden herauszugeben?

Es gab eigentlich zwei, „Trains/Sniart“ und „Kilroy“. Keins von denen war so richtig magazin-mässig, so wie wirs gerne machen wollten. Also gute Interviews und Reportagen und auch ein bisschen Makroperspektive und Politik reinbringen. Aber das war vielleicht eher unbewusst als ausgesprochen. Über Jacob Kimvall, Track, kannten wir „Bomber“ und „14K“, und News, der in den ersten Ausgaben mitgemacht hat, hat in Stockholm das „On the Run“ und andere Magazine vertickt.

“Malcolm Jacobson hat im Dezember 1999 „They Call Us Vandals“ veröffentlicht. Das war der Start von Dokument Press.”

Was war dann das erste Buch, dass Ihr veröffentlicht habt, und weshalb?

Malcolm Jacobson hat im Dezember 1999 „They Call Us Vandals“ veröffentlicht. Das war der Start von Dokument Press. Ich glaube Malcolm, der Fotograf ist, wollte das Magazin um noch ein Level erhöhen, ein Buch ist schon was anderes. Man kann da viel tiefer gehen.

Was ist euer persönlicher Bezug zu Graffiti damals und heute?

Wir haben alle als Writer angefangen. Track, News und Bonus (und Nug der anfangs kurz dabei war) waren die bekanntesten von uns in der Szene. Ich habe fünf Jahre aktiv gesprüht, aber ich war weder besonders gut noch besonders viel unterwegs. Dagegen war ich beim fotografieren und dem sozialisieren mit Leuten gut und viel unterwegs. Nicht zuletzt auf Reisen nach München, Berlin, Kopenhagen und andere Städte während den 80ern.

“Wir haben alle als Writer angefangen.”

Arbeitet Ihr hauptberuflich für Dokument Press, oder macht ihr noch andere Jobs?

Nur Dokument Press. Wir sind drei Personen die vollzeit hier arbeiten.

“Ich denke wir waren eigentlich schon ab der ersten Ausgabe eher international.”

Zu Beginn war Dokument Press auf Skandinavische Themen fokussiert, mittlerweile sind auch Künstler und Autoren aus der ganzen Welt dabei. Was war der Grund für diese Erweiterung?

Ich denke wir waren eigentlich schon ab der ersten Ausgabe eher international. Das heisst, wir wollten von der schwedischen Szene erzählen (der Stockholmer Szene, würden viele Schweden sagen, die nicht in Stockholm wohnen), aber auch Berichte über Graffiti in der ganzen Welt. Schon in der ersten Ausgabe von UP haben wir
die polnischen Breaker und Writer „Broken Steps“ aus Stettin interviewt, in der dritten Ausgabe hatten wir unser Interrail-Report (Kopenhagen, Amsterdam, Dortmund, Paris, Madrid), später hat Bonus aus San Francisco berichtet. Wir hatten bis Ausgabe 8 oder 9 auch Platten-Reviews und Interviews mit Rappern und Breakern.

“Ich bin sehr von Berlin geprägt.”

Durch dieses internationale Netzwerk habt Ihr ja wohl auch Einblick in die aktuellen Entwicklungen auf der ganzen Welt. Wo und was findet Ihr am spannendsten was zur Zeit passiert?

Zur Zeit? Hm, ich bin sehr von Berlin geprägt, schon
von meiner Kindheit her. Wir besuchten jedes Jahr an Weinachten für ein paar Wochen meine Omi in München. München und Stockholm sind sich schon ein bisschen ähnlich, reiche und konservative Städte. Berlin war anders. Ich ging ein halbes Jahr dort zur Schule, im Frühling 1990. Gute Zeit. Damals war die Stockholmer Szene ein bisschen im Abrutsch, die Berliner hatte noch nicht richtig angefangen. Seitdem finde ich es sehr sehr spannend was dort abgeht, die Styles, die theorethischen Gedanken, und ich glaube dass es ja so viel mit der Politik und der der Stadt zu tun hat. Früher oder später wird Berlin leider wohl auch konservativ und langweilig werden. Aber noch immer scheint es ein schöner Spielplatz für urbane Abenteuer sein. Die letzte Entwicklung mit der U-Bahn ist ja sowieso absolut unglaublich.

“München und Stockholm sind sich schon ein bisschen ähnlich, reiche und konservative Städte.”

Seit fast 30 Jahren dokumentiert Ihr mit euren Publikationen die Graffitiszene und Street Culture. Wenn Ihr zurückschaut, welche Entwicklungen haben euch am meisten überrascht oder beeindruckt?

Leider wird man mit der Zeit immer schwerer beeindruckt. Ich glaube die Amsterdamer Metro-Szene 1992 ist ganz besonders. Aber wie viele sagen würden: je früher je besser, die beste Szene war als ich angefangen habe… Also etwa 1987, als Tags die U-Bahnwaggons in Stockholm komplett überflutet haben. Eine Tageszeitung für Jugendliche.

“Falls wir Marx glauben dürfen verwandelt der Kapitalismus alles in Waren.”

Und wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen – wohin denkt Ihr wird sich Graffiti und Street Culture weiter- entwickeln? Seht Ihr da irgendwelche Trends?

Falls wir Marx glauben dürfen verwandelt der Kapitalismus alles in Waren. Ich habe neulich gehört, das Makler in Berlin jetzt Wohnungen mit dem Argument ”Tags an der Hauswand” verkaufen. Das ist wahrscheinlich die logische Entwicklung. Anderseits sehen wir mehr und mehr Überwachung und Kontrolle, nicht zuletzt durch die grossen Internetfirmen. Das könnte freies Graffiti mit der Zeit unmöglich machen. Ein schwedischer Architekt und Autor, den wir verlegen, Ola Andersson hat gesagt dass man sich Städte ohne Demokratie vorstellen kann, aber nicht Demokratie ohne Städte, weil der öffentliche Raum der einzige Raum ist, wo wir Meinungsfreiheit haben und wir die Freiheit haben uns zu treffen und zu demonstrieren. Vielleicht könnte man sagen, dass auch Writing ein Demokratiethermometer ist? Man kann sich (kommerzielles) Writing ohne Demokratie vorstellen, aber nicht Demokratie ohne (freies) Writing.

Hier findet ihr alle Bücher und Magazine von Dokument Press auf Layup.ch.

September 3, 2021. Layup News. Keine Kommentare.


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