Nach 20 Jahren ist LDeep mit dem Album „Läng, Dünn & Privilegiert“ zurück.
Die Frage lautet: Zurück von wo? In einem Interview mit den beiden Musikern Raphael Urweider alias Bidermaa und Oliver Brand alias -32h möchten wir erfahren, warum wir 20 Jahre auf das neue Album warten mussten. Wir wollen mehr darüber erfahren, was ihnen am alten Rap der 90er gefällt und was sie heute an der Rap- Musik schätzen. Zusätzlich steht ein kleines Geheimnis von den beiden Berner Mundart-Rappern mit Punk-Attitüde zur Enthüllung an.
LDeeP heisst genau was? Ist es eine Abkürzung für Lang, Dünn und Privilegiert?
-32h: Da war mal ein Kurzfilm «LDP geht nach Amerika» in dem unser zukünftiger DJ, fast zwei Meter gross in Amerika grausam umgebracht wird. Läng, Dünn und Primitiv war geboren. Privilegiert sind wir erst im Alter geworden.
Bidr: Da die Welt primitiver geworden ist, müssen wir es nicht mehr sein. Als nächstes fällt dann wohl das «Dünn» weg…
Euer erstes Album PossiTrack kam im Jahr 1998 heraus. Seid ihr mit dem 90er-Rap aufgewachsen?
32h: Wir wurden vom LDeeP-Basement DJ Kollektiv aufgezogen. Underground NYC Rap. Am besten hört man sich das in einer illegalen Bar auf einem völlig überlasteten Soundsystem an.
Bidr: Einige von uns reisten immer wieder nach New York und kauften dort Vinyl und Mixtapes, dann gab es Nächtelange Hör-Sessions. Was ein «Tape» ist, könnt ihr Googlen. Es war ein sogenannter Tonträger.
Wer waren eure Favoriten zu dieser Zeit?
-32h: Meine? MosDef, Pharoahe Monch. Viel WuTang und Smith&Wessun. Alles mit gaaanz viel Sub-Bass und lyrischen Skills.
Bidr: Das schöne war, dass es noch eine Mittelschicht gab. Nicht nur Superstars und Underground. Es gab Rappende, die gerade mal so von ihrer Kunst leben konnten. Das grösste Genie war wohl Biggie Smalls. Dann mochte ich stylistisch Heltah Skeltah und vergessene wie zum Beispiel Natural Elements.
Welche Musik hat euch damals noch beeinflusst?
-32h: Ich bin schon auch ein Jazzer, aber halt eher mit Bieler Hintergrund. Freejazz, Noise, aber auch Miles Davis und so Sachen. Ich war immer eher an Musik und nicht an Genre-Reinheit interessiert: Meine erste Vinyl-LP war «Sign Your Name Across My Heart», süssester Pop; Mein zweites Vinyl war «5 auf der nach oben offenen Richterskala» von Einstürzende Neubauten, tönt so wie es heisst.
Bidr: Ich habe während dem Gymer Keyboard gespielt in verschiedenen Bands und dann die Allgemeine Jazz- Schule in Bern besucht. Die hat mich aber eher zum Hip Hop getrieben. «Bring on the Night», das live Album von Sting hat mich damals sehr beeinflusst. Und Funk / Crossover Funk.
Und wer beeinflusst euch heute musikalisch?
Bidr: Ich bin jedes Jahr in Südafrika. Mich beeindruckt die Mehrsprachigkeit in der Musik, wie z.B. Zulu und Englisch organisch gemischt werden. Rap ist dort sehr vielseitig und kriegt – auch dank Filmen wie Black Panther langsam mehr Anerkennung. Auch war ich schon vor 5-6 Jahren begeistert von Amapiano und Gqom – den Stilen, die erst jetzt langsam in den Clubs weltweit ankommen.
-32h: Ist immer vieles. Ich liebe Outlaw Country und experimentelle elektronische Musik. Im Rap Universum wären es für mich im Moment eher die Engländer, da sie etwas wagemutiger Sachen versuchen. In zwei Monaten ist es vielleicht Mali-Blues.
Wie habt ihr die Entwicklung von 90er und Anfang Nullerjahre Rap bis hin zu heute miterlebt?
Bidr: Meinst du weltweit oder in der Schweiz? Am Anfang in der Schweiz war schön, dass sich alle gekannt haben. Es gab kleine «Hippie» Anlässe in Bern, Zürich oder Basel wo sich die Rappenden getroffen haben und unkommerziell Musik gemacht und genossen haben. Heute bin ich froh, dass es nicht nur mehr weisse Schweizer Buben sind, die in der Szene mitmischen. Auch sind die Einflüsse vielfältiger geworden: Wir hörten anfangs fast ausschliesslich Ami Rap. Deutschland war noch Fanta 4 und vielleicht ein bisschen Hamburg.
-32h: Mit meinen Kindern. Ich wurde Vater und das hat meine Möglichkeiten und Lust an jeder Hundsverlochete zu spielen schon etwas gemindert. Was ist schon Nullerjahre-Rap? Ich sehe hier vor allem coole Musiker die versucht haben sich im Schweizer Rap eine Basis und Existenz aufzubauen. Manche haben sich dem Kommerz zugewandt, manche sind Untergrund geblieben und viele etwas dazwischen. LDeeP hingegen war schon immer so unorganisiert – oder schöngeredet: «anarchistisch» – dass, sobald niemand den Lead übernimmt auch nichts rauskommt, weder Konzerte noch Alben.
War dies ein Grund, warum ihr nach der Veröffentlichung von „Wart Nume“ im Januar 2004 bis heute auf ein neues Album gewartet habt?
-32h: Es gab 2010 noch ein Mixtape von Bidr, «The Bidr, the Better».
Bidr: Beeinflusst von Juelz Santana…
-32h: Und dann noch die EP «LDeeP – Git’s Nüm», halt nur auf Bandcamp.
„Lang, Dünn und Privilegiert“ – diese Aussage hat Tiefgang. Seid ihr im gleichnamigen Album darauf ein- gegangen? Was wollt ihr damit ausdrücken? Welche Botschaft möchtet ihr der Welt damit vermitteln?
-32h: Den Untergang einer ressourcenfressenden konsumsüchtigen kapitalistischen Gesellschaft, die ihren Wohlstand mit Rassismus und Sektentum zu zementieren versucht!
Im Ernst, es geht auf dem Album schon über obengenanntes, aber was es vor allem ist, ist Rap, so wie wir es verstehen: Keine Bekenntnis-Poesie sondern die Beobachtung von dem was ist, aus der Perspektive von «Ich, der euch hier diesen Scheiss als Kunst andreht».
Bidr: Die Schweiz ist in ihrem Wohlstand und Sicherheit weltweit eine absolute Ausnahmeerscheinung. Sogar in Luxemburg hat es z.B. mehr Obdachlose als hier. Was auch immer wir kulturell ausdrücken, kommt aus einer extrem privilegierten Position, das ist nicht zu vermeiden. Plus wir sind weiss und männlich. Und 50. Ich glaube, es ist wichtig, diese Fakten zu anerkennen, bevor du überhaupt etwas sagst.
Im Track «Canz n‘ Roses» auf dem Album «Wart Nume» vom Jahr 2004 outet ihr euch auch als Sprayer. Der Song ist eigentlich eine Ode an Graffiti. Was ist eure Beziehung zu Graffiti? Seid ihr heute noch aktiv mit der Spraydose?
-32h: Muss ich jetzt als Beisteher alle alten Föteli, die ich für hier nicht genannte aufbewahre, an einem andern Ort verstecken?
Bidr: Ich habe in dem Song den Bullen gespielt, also… Im Ernst: Ich finde, die Qualität hat abgenommen. Früher war ich öfters beeindruckt, entweder von der Kunst oder dann von den Platzierungen der Pieces.
Mein Tipp: Übt wieder in der echten Welt. Sprayt mehr! Lernt klettern!
-32h: …und kauft gute Farbe, die so richtig knallt.
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